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Versteckte Muster: So funktioniert unbewusste Konditionierung

Geschrieben von Neurensics | 12.05.2025 11:48:02

Intuitiv vs. Rational

Wir halten uns gerne für rationale Wesen. Für Menschen, die ihre Entscheidungen bewusst treffen, den Überblick behalten und die Kontrolle haben. Aber wie oft ist das wirklich der Fall?

Ein gutes Beispiel ist das Autofahren. Wir steigen bewusst ins Auto, mit einem klaren Ziel vor Augen: von A nach B. Doch sobald der Motor läuft, schaltet unser Gehirn fast automatisch in den Routine-Modus – den „Autopiloten“. Wir lenken, schalten, bremsen und beschleunigen, ohne aktiv darüber nachzudenken. Was hier greift, nennt der Nobelpreisträger Daniel Kahneman System 1: das schnelle, intuitive und mühelose Denksystem unseres Gehirns. Dank System 1 können wir problemlos mit 100 km/h über die Autobahn fahren – umgeben von Dutzenden anderen Fahrern, jeder in seiner eigenen Blase automatisierter Abläufe. Und erstaunlich oft geht das gut.
Kommt es jedoch zu einer unerwarteten Situation – etwa wenn das Auto vor uns plötzlich bremst – reagiert System 1 erneut: instinktiv tritt unser Fuß auf die Bremse, noch bevor wir überhaupt realisieren, was passiert. Blitzschnell, reflexartig, unbewusst.

Erst danach wird System 2 aktiv – der langsame, bewusste, analytischere Teil unseres Denkens. Dieses System befähigt uns dazu, logisch zu denken, zu reflektieren und komplexe Entscheidungen zu treffen. Es analysiert im Nachhinein, was genau passiert ist, ob es einen Schaden gab und wie wir weiter reagieren sollten. Entgegen der weitverbreiteten Annahme ist System 2 im Alltag jedoch selten federführend. Es handelt sich dabei nicht um ein einzelnes Areal, sondern um ein Netzwerk von Gehirnregionen, das nur dann aktiv wird, wenn es wirklich nötig ist.

Das Zusammenspiel beider Systeme prägt unser Verhalten – und erklärt, warum wir oft unbewusst beeinflusst werden. Wenn System 1 so viel von unserem Alltag lenkt, stellt sich die Frage: Wie bewusst treffen wir unsere Entscheidungen eigentlich?

Was ist Bewusstsein – und wo sitzt es im Gehirn?

Auf Einladung der Association for the Scientific Study of Consciousness (ASSC) kamen fünf führende Wissenschaftler an der Universität Amsterdam zusammen. Unter ihnen auch Prof. Dr. Victor Lamme, renommierter Neurowissenschaftler und Science Officer bei Neurensics. Ziel dieses Treffens war ein ambitionierter Versuch, endlich zu einer klaren Definition von Bewusstsein zu gelangen – und festzustellen, wo genau im Gehirn es verortet ist.

Warum wurde gerade Professor Victor Lamme zu dieser Diskussion eingeladen? Weil seine Sichtweise auf das Bewusstsein weltweit zu den einflussreichsten gehört. Obwohl das Thema Bewusstsein seit Jahrzehnten intensiv erforscht wird, bleibt es bis heute schwer zu fassen. Es gibt keine allgemein akzeptierte Definition – und schon gar keine eindeutige Erklärung dafür, wie und wo im Gehirn das Bewusstsein entsteht. In der Wissenschaft konkurrieren derzeit fünf Theorien um den Anspruch, die richtige Antwort zu liefern. Die ASSC hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese konkurrierenden Ansätze in einem offenen wissenschaftlichen Dialog gegenüberzustellen und die Forschung dadurch voranzubringen. Deshalb wurden auch die führenden Köpfe dieser Theorien – darunter Lamme – eingeladen, ihre Positionen zu vertreten.

Neurowissenschaftlern ist es inzwischen gelungen, sogenannte neuronale Korrelate des Bewusstseins zu identifizieren – also Gehirnaktivitäten, die systematisch mit bewussten Erfahrungen einhergehen. Doch damit ist die Frage noch nicht geklärt. Denn nur weil bestimmte Hirnregionen während bewusster Erlebnisse aktiv sind, heißt das noch lange nicht, dass sie verantwortlich für das Bewusstsein sind. Diese Annahme – die sogenannte Reverse Inference – bleibt ein Trugschluss. Denn Korrelation ist noch immer keine Kausalität.

Recurrent Processing Theory

Die Theorie von Prof. Dr. Victor Lamme – die sogenannte Recurrent Processing Theory – geht einen Schritt weiter als bloße Korrelationsstudien. Während diese vor allem untersuchen, welche Hirnregionen mit bewussten Erfahrungen zusammenhängen, argumentiert Lamme, dass Bewusstsein erst dann entsteht, wenn Informationen im Gehirn rückgekoppelt und durch wiederholte Verarbeitung (recurrent processing) integriert werden. Entscheidend dabei: Es kann Bewusstsein geben, ohne dass wir uns dessen aktiv bewusst sind...

Klingt noch zu abstrakt? Ein Beispiel macht es greifbar. Bleiben wir beim Autofahren: Stell dir vor, du fährst mit 100 km/h über die Autobahn und siehst einen LKW mit einem Slogan an der Seite – zum Beispiel: „Unterwegs zu einem zufriedenen Kunden“. Du nimmst die Botschaft wahr, bist aber sofort wieder auf den Verkehr konzentriert. Einige Tage später siehst du erneut einen ähnlichen LKW und hast das Gefühl, ihn schon einmal gesehen zu haben – doch du kannst dich nicht mehr genau erinnern, wann oder wo.
Laut Lammes Theorie war diese erste Wahrnehmung dennoch eine bewusste Erfahrung. In einer fMRT-Aufnahme würde man zu diesem Zeitpunkt Aktivität sowohl im visuellen Kortex als auch in jenen Hirnregionen sehen, die typischerweise mit bewusstem Bericht in Verbindung gebracht werden. Du hast die Information also nicht bewusst gespeichert– aber du hast sie bewusst wahrgenommen. Und das ist nicht dasselbe.

Gerade für Marketer ist Lammes Theorie höchst relevant. Sie legt nahe, dass unser Gehirn weitaus mehr verarbeitet, als wir aktiv erinnern können. Visuelle und sprachliche Reize – wie ein Slogan auf einem LKW – werden durchaus bewusst registriert, auch wenn sie nicht ins explizite Gedächtnis übergehen. Das bedeutet: Marken, Botschaften oder Werbeinhalte können unbewusst gespeichert und später erneut aktiviert werden – mit Einfluss auf Verhalten oder Präferenz. Unbewusste Beeinflussung ist also kein nebulöses Konzept, sondern eine messbare und strategisch nutzbare Kraft in Marketing und Kommunikation.

Die Kraft unbewusster Wiederholung

Man kann Konsumenten gewissermaßen konditionieren, indem man sie mit einfachen Informationen „füttert“ (primed), die sich später gezielt abrufen und als Bausteine in eine komplexere Botschaft einfügen lassen. Dieses Prinzip – das wir Preconscious Neural Imprinting nennen – funktioniert am besten mit einfachen, wiedererkennbaren Reizen, die sich langfristig zu starken Markenassoziationen verdichten.
Einfache Bilder oder Aussagen wie „I’m lovin’ it“ von McDonald’s oder „Just do it“ von Nike setzen sich unbewusst fest. Auch das Duracell-Häschen, das charakteristische HEINEKEN-Grün oder die Silhouette der Coca-Cola-Flasche gehören dazu – Symbole, die uns nicht sofort auffallen, aber überall auftauchen: auf LKWs, in Cafés, im Fernsehen oder getragen von anderen Menschen. Wir wissen oft nicht, warum wir eine bestimmte Vorliebe haben – aber unser Gehirn erkennt, was zuvor bereits eingeprägt wurde.

Konditionieren – so geht’s!

Die entscheidende Frage lautet also: Wie konditioniert man Menschen unbewusst in Richtung einer gewünschten Haltung oder Verhaltensweise?
Es beginnt mit einer einzigen klaren Assoziation, die du mit deiner Marke verknüpfen möchtest. Nicht zwei, nicht drei – eine. Gillette ist „the best a man can get“ – und nicht „auch nachhaltig produziert“. Diese eine Botschaft muss relevant, differenzierend und glaubwürdig sein. Dann braucht es Mut und Konsequenz, um genau in diese Assoziation zu investieren. Viele Marken scheuen sich davor, eine klare Entscheidung zu treffen – ihre Kommunikation ist häufig ein Kompromiss verschiedener Meinungen statt eine faktenbasierte Strategie. Gezielte Forschung kann hier den Unterschied machen – besonders, wenn sie aufzeigt, wie System 1 auf deine Marke reagiert.

Finde diese eine Assoziation. Wiederhole sie dann häufig, einfach und über mehrere Kanäle.
Kurz. Prägnant. Und immer wiedererkennbar.

 

Möchtest du wissen, welchen unbewussten Eindruck deine Marke hinterlässt?
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